Text von Henrik Jakob
Elke Graalfs malt zeichnend. Oder strickend. In jedem Fall malt die Berliner Künstlerin assoziativ und großformatig direkt auf die Wand. Auf unserer Wand sehen wir zuerst den Polarhelden Shackleton, der den Wollhandschuh im Kreise seiner Mannschaft zum Gruß ins ferne Eismeer erhebt. Die, mit schwungvollen Pinselstrichen aufgetragene, Szenerie lässt das Publikum an der ungewissen Expedition Wandbild teilhaben und transformiert die umgebende weiße Wandfarbe ganz beiläufig zu einer ewigen Eislandschaft. Die Verlorenheit der entschlossen zusammenstehenden Personengruppe im Bildraum beschwört auf humorvolle Weise die Gemeinsamkeiten künstlerischen Handelns mit dem aufopferungsvollen Expeditionen der ersten Polarforscher. Auch Malerei betritt Neuland und ist ein Experiment mit ungewissen Ausgang, bei dessen Durchführung stetig wiederkehrende Prozesse ablaufen: Scheitern und Neubeginn, Planen und Verwerfen, Muster finden, Zufälle zulassen, Hoffen und Bangen und wieder von vorne.
Sinnbildlich für diese aufopferungsvolle Tätigkeit stehen Elke Graalfs gemalten Strickbilder. Sie sind keine Strickmuster, die auf etwas anderes, noch Unfertiges verweisen, sondern beinhalten bereits alles was Malerei sein kann. In dieser Form der Malerei wird der Pinselstrich zum endlosen Wollfaden, der zu Maschen verschlungen wird und in seiner raumgreifenden Weiterführung den Bildraum definiert. Auch hier geht es um eine stetige Wiederholung des Immergleichen, ein endloses Vor und Zurück auf dem Weg zur Bild- & Motivfindung. Wie eine riesige schützende Strickdecke legt sich die Malerei auf den Bildgrund, lässt ihn durch die Maschen hervorblitzen und macht ihn erst sichtbar. Diesen malerischen Prozess der Durchdringung bzw. Verstrickung von Bild- und Bildgrund überführt Elke Graalfs im Kulturpalast Wedding in eine wuchernde, großformatige Wandmalerei, die kontinuierlich weitergedacht werden kann, bis sie alles verschlingt: die Zeit, unseren Raum, die Künstlerin und den winkenden Shackleton. Kunst ist Risiko.